Eine neue App bietet Einblick in die Geschichte Korbachs während des Nationalsozialismus: „Gedenkportal Korbach“ ist ab sofort freigeschaltet – zunächst für IOS-Geräte (Apple), ab Jahresende soll sie auch für Android-Geräte zur Verfügung stehen.
Mit der App „Gedenkportal Korbach“ können Interessierte sich frei per Karte oder über drei verschieden lange Touren auf einen digitalen Rundgang durch die NS-Zeit in Korbach begeben. „An 24 exemplarischen Stationen wird aufgezeigt, welche schwerwiegenden Folgen der Nationalsozialismus für die jüdische Bevölkerung hatte. Es werden Beispiele von Ausgrenzung, Arisierung, Vertreibung, Verfolgung, Vernichtung, (Mit-)Täterschaft, aber auch Opposition beleuchtet“, erklärt Dr. Marion Lilienthal.
Die Historikerin und Oberstudienrätin an der Alten Landesschule (ALS) hatte die Idee für die App und entwickelte sie nach aufwendiger Recherche inhaltlich. Für die Konzeption und technische Umsetzung engagierte sich der ALS-Schüler Jakob Chrobascinski, Lisanne Schwalenstöcker trug die Idee für das Icon (Logo) bei.
„Schon bei der Entwicklung des Online-Gedenkportals haben wir eine Vorreiterrolle gespielt, und auch bei dem Projekt, die Erinnerungskultur nun über eine App auszuweiten, sind wir führend – da ist Korbach innovativ“, sagt Dr. Marion Lilienthal bei der Vorstellung der App als Teil des Gesamtprojekts „Digitales Denkmal“. „Die App verfügt über eine moderne Form der Gedenk-, Erinnerungs- und Informationskultur und bietet zugleich die Grundlage, sich mit der regionalen Geschichte zu beschäftigen – von Zeit und Raum unabhängig, für alle zu jederzeit verfügbar und kostenfrei“, so die Historikerin.
„Wir machen das ehrenamtlich für die Gesellschaft, weil uns das Thema so wichtig ist“, sagt Marion Lilienthal und lobt den Schüler Jakob Chrobascinski, der in rund 250 Stunden die App konzipiert und technisch realisiert hat: „Das ist eine ganz besondere Leistung, da muss man viel können und idealistisch sein“. Ihr Dank gilt auch Lisanne Schwalenstöcker für die Icon-Idee, der Stadt Korbach, die den Server stellt, sowie Dirk Geisler, Präsident des Lions Club Korbach/Bad Arolsen, für eine Spende an die ALS-Geschichtswerkstatt und „dafür, dass er mich angeschoben hat, das Projekt endlich umzusetzen“.
„Großer Dank an Dr. Marion Lilienthal, die mit Kontinuität, Fleiß und Leidenschaft die Geschichte aufarbeitet und uns zugänglich macht“, sagt Bürgermeister Klaus Friedrich: „Antisemitismus ist in dieser Gesellschaft präsenter als je zuvor, das heißt, wir haben nicht viel aus der Geschichte gelernt. Um so wichtiger ist es, mit solchen Möglichkeiten Hass und Gewalt entgegenzutreten.“
„Wir müssen die Geschichte für die Jüngeren zugänglich machen. In gewissen Teilen wird unsere Gesellschaft immer radikaler und andere Teile wissen nichts mehr über unsere Vergangenheit. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sich Geschichte nicht wiederholt“, erklärt Lions-Präsident Dirk Geisler sein Engagement. „Mir ist wichtig, dass wir uns als Alte Landesschule in die Stadt einbringen. Danke für das Engagement – das Thema ist relevant“, sagt ALS-Direktor Christoph Aßmann.
Genutzt werden kann die App „Gedenkportal Korbach“, für die Marion Lilienthal bereits Dankesnachrichten aus aller Welt erhalten hat, von Menschen ab zehn Jahren. Geplant ist, bis Jahresende auch eine Android-Version und Hörstationen zu konzipieren, um die App barrierefreier zu machen. Nach Möglichkeit soll sie außerdem in verschiedene Sprachen übersetzt werden, etwa Englisch und Niederländisch.
Erinnern an die Opfer
Geführt wird mit der App zu verschiedenen historischen Orten, wo geschichtliche Zusammenhänge und Begebenheiten kurz und anschaulich erklärt werden. Mit Blick auf Einzelschicksale wird auch über die Entstehung der jüdischen Gemeinde in Korbach informiert, über ihre schrittweise Ausgrenzung, Boykotte, Berufsverbote, Beschränkungen, erzwungene Emigration, Ausplünderung, gescheiterte Fluchtversuche, Deportation und Ermordung in den Vernichtungslagern. Historische Fotos und Zeitungsberichte vervollständigen die Gedenkportal-App, die zum Anliegen hat, an die Schicksale der vielen jüdischen und nichtjüdischen Menschen zu erinnern, die während der NS-Zeit ausgegrenzt, verfolgt und ermordet wurden. Die Touren reichen von einer halben Stunde über 90 Minuten bis hin zu zwei Stunden.
Text und Foto: Marianne Dämmer