Waltraud Steuber legt Buch über den Korbacher Gefängnisalltag vor
Alte Bilder zeugen noch vom mächtigen Bau des Korbacher Gefängnisses, das bis 1984 hinter dem Amtsgericht an der Hagenstraße stand. 2014 tauchten im Keller des Gerichts zudem längst vergessene Gefängnisakten auf, die spannende Einblicke in den Alltag des Korbacher Strafvollzuges im 20. Jahrhundert geben. Waltraud Steuber hat sie gründlich ausgewertet. Ergebnis ist ihr reich bebildertes Buch „Vor und hinter Gefängnisgittern“, das ab sofort erhältlich ist.
Die Korbacher Gefängnisgeschichte sei noch ein „weißer Fleck“ in der Heimatforschung gewesen, hält Steuber fest – die ehemalige Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat ihn beseitigt. Sie ist seit Jahren Mitarbeiterin im Korbacher Stadtarchiv und hat bereits 2016/17 eine siebenteilige Serie in der WLZ-Beilage „Mein Waldeck“ über den Neubau des Amtsgerichts und des Gefängnisses geschrieben, aus der 2019 ein „Archivheft“ hervorging.
In ihrem ersten Buch zeichnet sie anschaulich nach, wie der Alltag hinter Gittern aussah. Aber das Gefängnis ist auch eng mit der Korbacher Stadtgeschichte verwoben. Wie die bis 1910 zurückreichenden Gefängnisakten dokumentieren, beseitigte der 1928 fertiggestellte Neubau unhaltbar gewordene Zustände. Das Gefängnis war um 1850 im Unteren Herrenhof eingerichtet worden, es entsprach nicht mehr dem Anfang der 1920er Jahre angestrebten „humanen“ Strafvollzug: Gefängnisse „sollten eher Zucht- und Besserungsanstalten sein“, erklärt Steuber. Verurteilte sollten zur
Einsicht kommen und Buße leisten. Dafür sollten sie – ausbruchsicher – von der Außenwelt abgeschirmt sein.
„Im Korbacher Gefängnis wurden überwiegend kürzere Freiheitsstrafen vollstreckt“, berichtet Steuber. Die Akten geben Auskunft über Kleidung, Ernährung, Hygiene und den Tagesablauf der Häftlinge, die zehn Stunden täglich arbeiten mussten. Auch über das Personal findet sich viel Material. Die Nationalsozialisten verschärften den Vollzug, auch „politische Gefangene“ kamen hinter Gitter, Juden wurden dort drangsaliert. Im Krieg herrschte Mangel. Die Amerikaner schlossen das Gefängnis nach ihrem Einmarsch am 28. März 1945 – öffneten es aber am 3. April als Stadtgefängnis wieder. Es war rasch überfüllt: Viele Diebstähle aus Not kamen vor, auch Nationalsozialisten kamen in Haft. Die Versorgung war schlecht. Im November 1945 brachten zwei Ausbrecher den Oberwachtmeister Nikolaus Wunderlich um. 1946 begann der Neuaufbau des westdeutschen Gefängniswesens. 1948 gab es wegen der Geheimhaltung telefonische Anweisungen zur Umsetzung der Währungsreform im Gefängnis – immer wieder bettet Steuber Korbacher Ereignisse in die deutsche Geschichte ein. 1969 wurde das Gefängnis wie andere kleine geschlossen. 1984 wurde es abgerissen, um Platz zu schaffen für eine Erweiterung des Amtsgerichts.
Das Buch sei eine Gemeinschaftsleistung, betont Waltraud Steuber. Dr. Marion Lilienthal übernahm den Satz und las Korrektur – gut ein Jahr war sie mit dem Projekt befasst. Anregungen gaben Archivleiter Wolfgang Kluß und der ehemalige Museumsleiter Dr. Wilhelm Völcker-Janssen. Archiv, Museum, der Waldeckische Geschichtsverein, der Bürgerverein „Sankt Kilian“ und der Lions-Club Korbach/Bad Arolsen förderten die Drucklegung.
Waltraud Steuber, Vor und hinter Gefängnisgittern. Strafvollzug in Korbach im 20. Jahrhundert, 248 Seiten, ISBN 978-3-9821557-4-6. Preis: 18 Euro. Es ist Band drei der Reihe „Einblicke in Archiv und Museum der Kreis- und Hansestadt Korbach und Archiv der Alten Landesschule“. Zu haben ist er bei Thalia, bei der Bürger-Info, im Museum und im Gymnasium.
Text und Foto: Dr. Karl Schilling